WUNDERSPEISE

Auszüge:

Spurensuche im Verlangen

will toben will stoßen will stürzen
will sparen will fangen
muss fressen

vergangen

soll schreien soll schmeißen soll leiten
soll fühlen soll kreisen
muss bangen

um das neuentdeckte Zaubermahl

vom Schweiß gekühlt vom Druck verschont
vom Klang umschwebt
zum Tal
durch strahlende Tore schreitend
in enge Gänge gleitend
die Augen weitend

um sich zu finden
und zu verlieren

im Splitterstaub lang geglaubter Momente

so ganz unbefangen
das Verlangen


Fragen

Ich war einmal ganz mir selbst überlassen auf der Suche nach der Verlegenheitsabschaffung und ich war mir einmal sicher, dass die Unsicherheit zu mir sprach aus den vielen Gesichtern vieler Menschen, nicht weniger sondern äußerst vieler, die da waren und liefen und nicht schlenderten auf den Straßen und auf den Wegen und Plätzen der viel gelobten Alltäglichkeit. Diese Straßen und Wege und Plätze waren zu dieser Zeit ihrer Pracht beraubt und ich fragte mich also ob und wie sie denn mal schön waren und friedlich und in bunten Farben strahlten. Ich war stumm geworden und sobald ich in Gedanken damit begann eine Antwort zu finden schüttelte es mich plötzlich und mir wurde kalt und meine Miene verdüsterte sich und eine wohlbekannte Schwäche überfiel mich und ich sah dann bloß noch einen Platz vor meinen Augen und der war nun menschenleer. Ein leerer, karger Platz, ganz leergedacht, ungeschönt weit. Da vergaß ich zu stutzen und war mutig und sprach also wieder zu mir selbst und fragte: „Ist die Gemeinschaft eine Qual? Ist die Wohltat eine Schande?“ Da bekam der steinerne Boden einen Riss und aus ihm heraus wuchs in einer ganz unerhörten Geschwindigkeit ein Grashalm empor. Ich vergaß mich zu wundern und fragte: „Ist die Erkenntnis ein Scherbenmeer? Ist die Illusion ein Makel?“ Der riss war nun 100 Meter lang geworden und überall schossen Grashalme nach oben und ich vergaß meinen Augen nicht zu trauen und fragte: „Ist die Vernunft ein Gitterbett? Ist die Sinnlichkeit ein Verlust?“ Die Mauer aus Gräsern war nun alles was ich sehen konnte, also schloss ich die Augen, machte einen Schritt nach vorne, durchquerte sie und vergaß mich zu überwinden und fragte: „Ist die Wahrheit ein Versteck? Ist der Verstand ein Todbringer?“ Ich öffnete die Augen und befand mich nun auf einem Feld aus Edelsteinen, alles blitzte und blinkte, also lief ich los und packte meine Taschen voll, so dass auch die Taschen blitzten und blinkten und dann vergaß ich zu staunen und fragte: „Ist die Ehrlichkeit eine Sünde? Ist das Gefühl ein Kriegsgebiet?“ Das Gewicht der Steine ließ mich langsamer laufen, doch dadurch konnte ich alles klarer sehen und erblickte in der Ferne, wo sich die Felsen teilten, die weite See und ich vergaß zufrieden zu sein und fragte: „Ist die Erfahrung ein Tauschgeschäft? Ist die Freude eine Last?“ Da stand ich schon am Ufer und die Gischt des wilden Meeres schlug mir ins Gesicht und da holte ich die Edelsteine hervor und warf sie blindlings in die Brandung und die See wurde ruhiger und ich zog mich aus und sprang ins Wasser und vergaß mich zu fürchten und fragte: „Ist die Angst eine Pflicht? Ist die Freiheit ein zu Hause?“ Als ich eine Weile geschwommen war und meine Haut weicher wurde, da hielt ich inne und spürte den warmen Sand an meinen Füßen und ich begann zu laufen und ohne je Anstrengung verspürt zu haben betrat ich die Insel des Alleinseins. Das unaufdringliche Licht stimmte mich wohlig und das unangestrengte Bild der sich selbst überlassenen Natur ließ mich überlegen fühlen und ich vergaß mich selbst zu hassen und fragte: „Ist das Leben ein Glücksmoment? Ist die Schönheit eine Strafe?“ Ein Sturm zog auf und das Wetter tobte und wütete über mir und der Insel und der Wind fegte und der Blitz schlug so heftig ein, dass der große Baum zerbarst und den Eingang freimachte zur Höhle der Einsamkeit. Ich stand still, war taub und geblendet, so lange bis der Himmel wieder in prächtigem Blau strahlte und dann traten sie heraus aus der Grotte, die verloren Geglaubten, einer nach dem anderen, es waren nicht wenige sondern unglaublich viele und ihre Blicke waren nun klar und die Gesichter waren frei vom Unmut schlechter Zeiten und alle sammelten sich ganz artig am Strand um die Gemeinschaft des Wohlseins zu bilden als plötzlich eine riesige Welle heranschoss und die gesamte Insel verschlang. Als Einziger konnte ich mich auf den letzten Ast des großen Baumes retten und ich trieb davon im unendlichen Meer und ich wagte nicht mich zu wundern und ich verbat mir das Grinsen und ich vergaß all die Fragen.


Liebesszene

Er
Sie
Der Fremde

Sie betreten die Treppe. Sie steigt die Treppe Stufe für Stufe hinauf. Er nimmt jedes Mal 2 Stufen. Sie zählen die ersten Stufen.

Er 8!
Sie 7!
Er 12! Wo wohnst du eigentlich?
Sie Weit draußen.
Er In der Einöde?
Sie In der kleineren Welt. Dort ist es freier, roher. Geschmacklos auch.
Er Dann ziehst du her?

Sie halten inne.

Er Zumindest für den Moment. Ein Versuch?
Sie Die Stille hier ist eine ganz andere. Ich werde traurig, wenn ich sie spüre. Eine Stufe höher Die Trauer des Vergessenseins.
Er Allein ist man nie.

Sie gehen weiter

Sie Und gleichzeitig immer, fortwährende Genugtuung.
Er Verbunden mit der Trauer wird die Offenheit darunter leiden.
Sie Die Offenheit kann Grenzen überschreiten.
Er Vor allem die unbeugsame. Auf das Reden folgt Ernüchterung.
Sie Wer will denn nüchtern sein?

Sie nimmt nun jeweils 2 Stufen. Er jeweils eine.

Sie Ich meine ja nur. Pause
Er War es denn mal anders?
Sie Nie.
Er Der Moment? Ist er der gleiche?
Sie Natürlich nicht!
Er Dann ist die Vorraussetzung geschaffen.
Sie Freifühlende Abhängigkeit.
Er Maßloses Übertreiben.
Sie Bloß keine Falschheit!
Er Und bloß keine Sperre!
Sie Und immer der Fortschritt!
Er Und bloß kein Verzagen! Pause
Sie Wenn sich dann alles überhäuft? Wenn es gefährlich wird?
Er Nur durch Verrat!

Sie halten inne. Sie setzen sich. Ein Fremder kommt von oben die Stufen herunter, er umkreist die beiden, beugt sich dann zu ihnen hinunter.

Der Fremde Hab auch gestern schon gedacht, die Ablenkung, die da, ja die treibt mich fort und sehnt sich nach Vervollkommnung. Dabei hat sie ganz vergessen Ehrfurcht vor dem Bestehenden zu haben und da die völlige Hingabe an das noch zu Erfahrende nicht auf sich warten lässt wird die da zum stillschweigen verdammt. Reisende Verdammnis. Pause
Es war windig und alle wollten sitzen und nicht stehen, lieber sitzen und dadurch kam auch der Wind nicht mehr aber zu laut war es nicht denn alles blieb still und sehr gefestigt dann führte der Gedanke den Körper und der Blick fiel auf das fallende Glas. Überall sah man nun Scherben und erkannte den Reiz, den Grund eines Willens. Pause
Ich meine ich bin zu sein scheint im Zuge die Sperrwut im Ansatz der Speer schon im Fluge. Ja, ja, ja, das Hiersein ist nichts anderes als Gedankenflug, ja ja ja. Pause
Eins noch: Das Verlangen nach etwas Anderem ist gleich dem Abbruch des Dagewesenen. im Abgehen, laut Ja, ja.

Der Fremde rennt die Stufen hinunter. Die beiden stehen auf.
Sie steigen nun beide die Treppe Stufe für Stufe hinauf.

Sie Und bloß kein Verleugnen!
Er lachend Niemals!
Sie Wenn ich die große Welt betrete, dann weiß ich, dass ich dulden kann.
Er Dann gehst du weiter?
Sie Ich glaube die Höhe hier ist eine ganz andere.

Sie bleiben stehen.

Sie Alles so winzig da unten.
Er Der Wahnsinn fordert seinen Tribut.
Sie Er ködert mit nichtgelebten Gedanken.

Sie küssen sich.